Mandy Riedel
Nunmehr stehen die wesentlichen Aspekte des Gesetzespakets gebilligt, mit dem existenzielle Folgen im Zusammenhang mit Corona abgemildert werden sollen. Die Neuregelungen betreffen im Wesentlichen das Zivilrecht, das Insolvenzrecht sowie das Strafverfahrensrecht. Mit den Neuregelungen wird massiv in geltende Gesetze und das Rechtssystem insgesamt eingegriffen; dies mit dem Hintergrund die massiven existenziellen Folgen abzuwenden versuchen. Im Wesentlichen betreffen die Änderungen das Zivilrechts.
Vita Mandy Riedel
- Seit 1999 Rechtsanwältin in Regensburg
- Seit 2008 auch Fachanwältin für Arbeitsrecht
- Energy Consultant (RUB)
- Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzende Privates Institut für Energierecht Bayern e. V.
Die wesentlichen Aspekte sind:
- Maßnahmen zur sozialen Absicherung,
- Maßnahmen zur Krankenhausentlastung,
- Zuständigkeitsänderungen im Infektionsschutzgesetz
- Änderungen im Mietrecht,
- Änderungen bei Verbraucherdarlehen,
- Änderungen im Insolvenzrecht.
- Änderungen im Strafprozessrecht
Mit den Änderungen werden grundlegende Prinzipien des Bürgerlichen Gesetzbuches werden zeitweise aufgehoben. Weitreichende Änderungen ergeben sich auch im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht. Im Strafverfahrensrecht betreffen die Änderungen die Verhinderung sonst drohender Strafverfolgungsverjährung und die weitere Durchführung von langwierigen Strafprozessen.
Einführung eines befristeten Leistungsverweigerungsrecht bis 30.06.2020:
- Mit der Einführung des befristeten Leistungsverweigerungsrechtes soll ein Recht zur Einstellung von Leistungen aus vertraglichen Verpflichtungen aus für den Schuldner wesentlichen Dauerschuldverhältnissen bestehen; dies unter der Voraussetzung, dass
- der Schuldner bedingt durch Covid19 außerstande ist, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen;
- ohne, dass er dadurch seinen angemessenen Lebensunterhalt oder den seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährdet.
Die Verbraucher sollen nicht von der sog. Grundversorgung abgeschnitten werden können, also u.a. Strom, Gas und Telekommunikation.
Das Leistungsverweigerungsrecht soll auch für Kleinstunternehmer gelten. Als Kleinstunternehmer gilt, wer bis 9 Beschäftigte und bis 2 Mio EUR Umsatz erzielt bzw. eine Bilanzsumme bis 2 Mio EUR hat.
Auch diesen Unternehmern wird das Recht eingeräumt, Leistungen aus einem Dauerschuldverhältnis zu verweigern; dies unter der Voraussetzung, dass
- das Unternehmen Leistungen infolge von Covid19 nicht erbringen kann oder
- dem Unternehmen die Leistungserbringung nicht ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Betriebes möglich wäre.
Betroffen von diesem Leistungsverweigerungsrecht sind sämtliche wesentlichen Dauerschuldverhältnisse, die zur angemessenen Fortsetzung des jeweiligen Betriebes erforderlich sind. Es besteht die Möglichkeit der Verlängerung dieser Regelung bis 30.09.2020.
Das Leistungsverweigerungsrecht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Hiervon gibt es Ausnahmen.
Ein Leistungsverweigerungsrecht soll dann nicht bestehen, wenn die Nichterfüllung für den Gläubiger der Forderung unzumutbar ist, weil dadurch seine wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens gefährdet wäre.
Analog dazu, darf das Leistungsverweigerungsrecht des Kleinstunternehmers die beim Gläubiger nicht dazu führen, dass dessen angemessener Lebensunterhalt und der seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährdet wäre.
Die Leistungsverweigerung gilt auch nicht für Miet- und Pachtverträge sowie auch nicht für Arbeitsverträge. Hierfür gibt es spezielle Regelungen.
Mietverträge über Wohn- und Gewerberäume:
Hier sehen die neuen Vorschriften eine deutliche Einschränkung des Kündigungsrechtes vor, die auf Mietschulden im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 beruhen. Bisher können Mietverträge bei einem Mietrückstand von 2 Monatsmieten außerordentlich und fristlos gekündigt werden. Hier soll – wenn die Nichtzahlung ursächlich auf Auswirkungen von Covid19 beruht – der Vermieter nicht mehr zur Kündigung berechtigt sein. Den Nachweis hat der Mieter zu führen. Vermieter sollen hier nicht durch vertragliche Abreden abweichen können. Die Kündigungsbeschränkung für Vermieter endet mit Ablauf des 30.09.2022. Der Ausgleich der Rückstände soll bis spätestens 30.06.2022 erfolgen. Wenn der Ausgleich bis dahin nicht erfolgt ist, kann aufgrund dessen wieder nach den bisherigen Regelungen gekündigt werden. Der Zeitraum für die relevanten Rückstände vom 01.04.2020 – 30.06.2020 kann auch auf den Zeitraum vom 01.07.2020 bis 30.09.2020 ausgeweitet werden.
Alle sonstigen Regelungen bleiben wie bisher bestehen, insbesondere die Regelungen zum Verzug.
Auswirkungen auf Verbraucherdarlehen:
Fällige Darlehensforderungen, die den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 betreffen, werden kraft Gesetzes für 3 Monate gestundet.
Voraussetzungen hierfür sind:
- Abschluss des Darlehensvertrages vor dem 15.02.2020
- Einnahmeausfälle, mit Ursache Covid19, die die Zahlung unzumutbar machen.
- Die Stundung darf für den Darlehensgeber unter Berücksichtigung seiner individuellen Lebensumstände nicht unzumutbar sein
Hier können allerdings abweichende Regelungen getroffen werden.
Dem Verbraucher soll die Möglichkeit gegeben werden, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Auch hier hat die Regierung die Möglichkeit diese Maßnahme bis 30.09.2020 zu verlängern sowie die Laufzeit der Verträge um 12 Monate zu verlängern.
Es besteht außerdem die Möglichkeit für die Bundesregierung diese Regelung auf Kleinstunternehmer auszuweiten.
Änderungen im Insolvenzrecht:
Wenn ein insolvenzantragspflichtiges Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht kurzfristig bedienen kann, dann ist der Geschäftsführer verpflichtet, binnen drei Wochen nach Eintritt eines der Insolvenzgründe einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Aktuell würde die Situation zu einer Welle von Insolvenzen führen, u.a. deshalb, weil die Bearbeitung der Anträge auf finanzielle Hilfen des Staates zu viel Zeit benötigt. Zur Vermeidung dessen soll die Insolvenzantragspflicht bis 30.09.2020 ausgesetzt werden.
Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind:
- Ursache der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung muss Covid19 sein,
- Den Beweis für eine Insolvenzantragspflicht muss nicht der Unternehmer führen, sondern der, der sich auf die Antragspflicht beruft,
- sind Unternehmen, die bis zum 31.12.2019 insolvenzreif waren auch hiervon umfasst.
- Gesetzliche Zahlungsverbote (§ 64 Satz 1 GmbHG, )2 Abs. 2 S. 1 AktG) werden gelockert, um das Risiko persönlicher Haftung für Vorstand und Geschäftsführer zu verringern,
- Die Neuaufnahme von Krediten in der Krise wird anfechtungs- und haftungsrechtlich privilegiert.
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn erkennbar keine Sanierungsaussichten bestehen. In diesen Fällen ist wie bisher ein Insolvenzantrag erforderlich.
Beschränkung der Insolvenzanfechtung:
Bisher ist es so, dass ab Eintritt der Insolvenzreife Leistungen des insolventen Unternehmens vom Insolvenzverwalter angefochten und zurückverlangt werden können. Dies würde aktuell dazu führen, dass Vertragspartner Leistungen erbringen oder Zahlungen ausführen und somit die gesamte Wirtschaft zusätzlich gefährdet würde.
Künftig sind deshalb Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, später nicht mehr anfechtbar, es sei denn dem Leistenden war bekannt, dass die Sanierungsbemühungen nicht erfolgreich sein werden.
Beschränkungen für Gläubigerinsolvenzanträge:
Auch Gläubiger konnten bisher einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Nunmehr gelten Einschränkungen. Insolvenzanträge von Gläubigern, die innerhalb von 3 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden, führen nur dann zu einer Eröffnung des Verfahrens, wenn der Eröffnungsgrund vor dem 01.03.2020 lag.
Eine Verlängerung der Regelung ist möglich. Die Regelungen sind zunächst befristet bis 30.09.2020. Die Einschränkung der Gläubigerinsolvenzanträge ist auf 3 Monate befristet. Allerdings kann das Gesetz die Aussetzung der Insolvenz bis zum 31.03.2021 verlängert werden.
Anreize für Kredite:
Zusätzlich gilt die bis zum Stichtag 30.09.2020 erfolgte Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die Bestellung von Sicherheiten für derartige Kredite nicht als Gläubigerbenachteiligung. Dies soll nach dem Willen der Regierung auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen gelten. Außerdem sind Kreditgewährungen als solche ebenso wie Absicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als Insolvenzverschleppung gewertet.
Regelungen Corona-Gesetz zum Gesellschaftsrecht
Sowohl im Gesellschaftsrecht, Stiftungsrecht, Wohnungseigentumsrecht werden die Teilnahme an einer Versammlung bzw. auch für Aktionäre an einer Hauptversammlung erleichtert. Dies kann künftig präsenzlos in virtueller Versammlung mit verkürzten Einberufungsfristen und unter Einsatz von elektronischen Kommunikationsmitteln erfolgen (§§ 1 ff Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid19-Pandemie.
Im Aktienrecht werden Abschlagszahlungen an Aktionäre erleichtert; abweichend von § 59 Abs. 1 AktG kann der Vorstand auch ohne Satzungsermächtigung entscheiden, einen Abschlag auf den Bilanzgewinn zu zahlen.
Bei der Umwandlungen von Gesellschaften wird die Frist des § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG auf 12 Monate verlängert Damit wird verhindert, dass Umwandlungen scheitern, weil eine Versammlungsmöglichkeit nicht bestand und somit das Verfahren an der Frist scheitert.
Strafverfahren – längere Unterbrechungen möglich
In der aktuellen Situation besteht die Problematik, dass Strafprozesse scheitern, weil prozessuale Maßnahmen bzw. Verhandlungen nicht durchgeführt werden können. Aus diesem Grund ist geplant, einen zusätzlichen Hemmungstatbestand einzuführen; danach kann künftig unabhängig von der Dauer der Hauptverhandlung der Lauf der Unterbrechungsfristen § 229 Abs. 1 u. 2 stopp gehemmt werden, solange die Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von Covid19 tatsächlich nicht durchgeführt werden kann.
Der zusätzliche Hemmungstatbestand soll maximal eine Hemmung von 2 Monaten bewirken. Die Unterbrechungsfristen enden frühestens 10 Tage nach Ablauf der Hemmung. Das Gericht soll Beginn und Ende der Hemmung durch einen unanfechtbaren Beschluss feststellen.
Der aktuell vorliegende Entwurf des Art. 3 des Gesetzentwurfes soll entsprechend auch für die Frist zur Urteilsverkündung gelten, § 268 Abs. 3 Satz 2 stopp.